Seiser Alm im Winter

By In So Close

Lohnt sich Skifahren auf der Seiser Alm überhaupt? Diese Frage kreist bereits seit einigen Jahren in meinem Kopf. Und während ich mich regelmäßig an der Sellaronda abarbeite, fristet die größte Hochalm Europas ihr klägliches Schattendasein. Eigentlich scheint auch diesmal alles gegen einen ersten Versuch zu sprechen.

Ich nächtige im historischen Sporthotel Monte Pana und blicke direkt auf die hauseigenen Pisten, die wunderschön präpariert in der Sonne glänzen.

Nur einen Steinwurf weiter, würde mich der Sessellift direkt ins Skigebiet von Gröden katapultieren und damit der Sellaronda Tür und Tor öffnen. Doch ich bleibe stark und fahre die 6 Kilometer von St. Christina bis nach St. Ulrich, wo es eine Gondelbahn auf den 2.065 Meter hohen Mont Seuc gibt.

An den zwei Kassen bildet sich bereits um 9 Uhr eine ordentliche Schlange. Entsprechend läuft es schleppend, bis ich schließlich „fast“ an der Reihe bin. Vor mir steht lediglich noch ein sympathisch-rüstiger Rentner aus Südfrankreich, der der verdutzt dreinblickenden Schalterdame einen vollgekritzelten Brotzettel auf den Tresen legt. Darauf eine Textaufgabe, wie aus einem Mathe-Lehrbuch. „Alors. Isch brauche 3 Tickets Senior für 4 Tage. 4 Tickets Junior für 3 Tage. 3 Tickets Erwachsene für 5 Tage. Davon die Senioren ab Morgen und die anderen ab heute“. Was jetzt schon kompliziert genug ist, wird durch die Gegenfrage zum Urknall: „Und wer ist davon männlich und wer weiblich? Ich brauche jeden einzelnen Namen samt Status und Altersangabe“. Kritzel, kritzel auf Zettel. „Was ist Emmanuelle? Mann oder Frau?“ „Alors. Ist eine Frau“ „Ist die Frau Senior oder Normal?“ „Ist normale Frau“ „Ja, aber wie viele Tage fährt sie?“ „4 Tage“ „Ich habe aber schon 5 ausgedruckt“ „Nein, ist falsch“ Und so weiter und so weiter. Hinter mir spielen sich bereits tumultartige Szenen ab, während sich der Franzose ein 1A-Duell mit der entnervten Schalterbeamtin liefert. Und das auf Augenhöhe! Denn auch die Fachkraft der Seilbahn ist versiert im missinterpretieren von Vornamen und ausdrucken von ungültigen Skipässen. 30 Minuten später schreie ich meinen Frust in den stahlblauen Winterhimmel und halte endlich meine zwei lächerlichen Tagestickets in der Hand.

Oben angekommen, bin ich zunächst ernüchtert. Eine ordentliche Schar von Skinovizen schiebt sich einen schmalen Ziehweg hinab in Richtung Piste. Danach eine kurze Abfahrt und schon steht man wieder am 2-er-Sessellift in einer Traube von Menschen. Doch bereits zwei Abfahrten später beginnt das wirklich einmalige Gefühl von Wellness-Skifahren auf der Seiser Alm. Es verteilt sich unglaublich gut auf diesem riesigen Plateau. Zudem hat man einen 360-Grad Panorama-Blick vom Feinsten. Von den charakteristischen Zacken des 2.563 Meter hohen Schlern, bis zu den gewaltigen Brocken von Langkofel (3.181 Meter) und Plattkofel (2.956 Meter).

Die Pisten sind zwar wenig anspruchsvoll (wahlweise blau oder rot), laden dafür aber zum hemmungslosen „laufen lassen“ ein. Und so gleite ich mich in Richtung Pufklatsch, dem Aussichtsberg schlechthin, was sich auch bei der ein oder anderen Skischule herumgesprochen hat. Also lieber wieder die Seite wechseln, um die längeren Abfahrten am Spitzbühl zu genießen. Kaum zu glauben, aber Pisten und Liftanlagen sind trotz Sonntagsansturm wie leergefegt. Zeit für eine Südtiroler Speckplatte, denkt sich mein Magen. Die Laurinhütte ist nicht nur aussichtsreich gelegen, sie kredenzt auch noch die geilste „heiße Oma“ auf der Seiser Alm. Heiße Oma ist ein aufgewärmter Eierlikör mit Sahnehäubchen, besser bekannt unter dem klangvollen Namen Bombardino. Dieses kleine Kalorienmonster schmeckt so sagenhaft gut, dass es einzeln nicht zu konsumieren ist.

Die Grundlage für den Nachmittag ist damit geschaffen und so probiere ich noch die deutlich längeren Abfahrten am Goldknopf und Zallinger aus. Allein die extra-langen Ziehwege zwischen den Liften, sind eine logistische Meisterleistung. Und so steuert man bei Saltria einfach durch das gesamte Dorf, um Anschluss an den nächsten Sessellift zu erhalten.

Mein Fazit: Wer auf entspanntes Skifahren vor biblischer Kulisse steht, der ist auf der Seiser Alm genau richtig. Das Gebiet ist erstaunlich abwechslungsreich und in einem Tag kaum zu bewältigen. Die Einkehrmöglichkeiten sind qualitativ ganz klar Champions League und an Gemütlichkeit und Food-Appeal kaum zu toppen.

Meinen Bericht zur Sellaronda und dem sagenhaften Ausblick vom Sass Pordoi findet ihr übrigens hier.

Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Hotels Sporthotel Monte Pana.

6 Comments
  1. […] Ich stelle augenblicklich das Fotografieren ein, erhebe mich aus der „Hoffentlich-fall-ich-nicht-hin-Hocke“ und verzichte weitestgehend auf Schönheitskurven. Der Lohn des Endspurts, ist die Zieleinfahrt um exakt 16.57 Uhr. Was mache ich jetzt bloß mit den restlichen 3 Minuten? Fortsetzung folgt… […]

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  2. […] Den Bericht zur Seiser Alm im Winter findet ihr übrigens hier. […]

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  3. […] Aussicht auf alle relevanten Massive des UNESCO Weltkulturerbes bietet. Wir fangen an mit der Seiser Alm und dem Rosengarten und bewegen uns langsam auf die Geislergruppe zu. Der Pfad ist wenig […]

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  4. […] einen Bogen um das kleine Juwel über den Hügeln von Meran gemacht und mich an der Sellaronda oder Seiser Alm […]

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  5. […] Hier findet ihr meinen Bericht über das Skifahren auf der Seiser Alm. […]

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  6. […] Ausflug in die Dolomiten und da kann ich ihr natürlich ein paar schöne Tipps in Alta Badia und Gröden an die Hand geben. Es ist schon verrückt, während wir Europäer vom Perfect Powder in Aspen […]

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