Eignet sich Lissabon für ein „Arbeiten aus der Ferne“ und worauf ist dabei zu achten? Genau dieser Herausforderung habe ich mich gestellt und nehme die Antwort mit einem klaren „auf jeden Fall“ vorweg. Nach dem Spoiler direkt zum Start, kommen jetzt die wichtigsten Voraussetzungen und Möglichkeiten, die die portugiesische Hauptstadt zu bieten hat.
Das Wichtigste ist natürlich die Arbeitsumgebung und die damit verbundene digitale Infrastruktur. Meine Wahl fällt auf ein Airbnb direkt unterhalb des Castelo de São Jorge, von dessen Dachterrasse man sogar auf den blauen Strom des Tejo blicken kann. Was im Internet so überragend ausschaut hat bestimmt seine Tücken, denke ich mir, werde jedoch eines Besseren belehrt.
Das Apartment ist frisch umgebaut und liegt, trotz der zentralen Lage, recht ruhig in der Rua da Madalena. Mit dem Aufzug geht es hinauf in die 5. Etage, wo mir 2 Schlafzimmer und ein offener Wohn- und Essbereich zur Verfügung stehen. Für 2 Personen ist das ideal, für ausgelegte 4 Personen, aufgrund der Schrägen, etwas schmal, doch zu viert kann man eh nicht in Ruhe arbeiten. Das Internet schnurrt wie ein Kätzchen und der große Esstisch lädt zum Ausbreiten und Verteilen ein. Falls man den überhaupt braucht, denn der kreative „Place to be“ ist eindeutig die Dachterrasse mit ihrem weitläufigen Blick auf die Alfama, das Castelo und den Fluss natürlich.
Macht man sich die Mühe und kriecht vom Schlafzimmerbalkon ein Stück hinauf aufs Dach, sieht man gar die berühmte Ponte 25 de Abril. Angeblich sollen das Gäste schon probiert haben. Zudem gibt es einen großen Fernseher mit Kabel-TV und die kulinarische Bandbreite aus Restaurants, Cafés und Lebensmittelläden ist innerhalb des 5-Minuten-Radius zu erreichen. Moment mal: Restaurants? Sind die etwa geöffnet? Und vielleicht sogar Geschäfte und Boutiquen? Oh ja, der Lockdown geht in Portugal stufenweise seinem Ende entgegen und das Leben kehrt zurück nach Lissabon. Deshalb kommen jetzt meine Tipps zum Spaziergang für Zwischendurch, bei dem man immer die Zeitverschiebung von -1 zur deutschen Zeit im Blick haben sollte.
Gerade am späten Nachmittag ist der Ausblick vom Castelo de São Jorge unbezahlbar, da man mit den Dächern der Alfama farbenfroh beginnt und sich dann bis zum endlosen Blau des Meeres vorwagt. Zudem lässt es sich wunderbar auf den alten Festungsmauern umherwandern und den Pfauen beim Aufplustern zuschauen.
Allein der zehnminütige Fußweg vorbei an der Kathedrale und den gemütlichen Restaurants und Aussichtspunkten ist die kleine Anstrengung wert.
Danach begebe ich mich ins Herz von Lissabon, auf den Praça do Comércio, der nach dem Erdbeben im Jahr 1755 neu errichtet wurde und mit seiner Weitläufigkeit und Nähe zum Fluss endlos erscheint.
Am Tejo lässt es sich wunderbar weiterschlendern zur Markthalle Mercado da Ribeira, wo sich am westlichen Ende eines der besten Restaurants von Lissabon befindet. Jedenfalls ist der Sala de Corte ein wahrer Fleischtempel, der nicht nur exzellente Qualität auf den Teller bringt, sondern auch in Punkto Ambiente begeistert. Reservierung unbedingt erforderlich.
Ein schöner Spaziergang für den frühen Abend ist die Tour durch das Bairro Alto, der Altstadt von Lissabon. Hier gibt es nicht nur coole Bars, die mit Happy Hour Tarifen locken, sondern auch Boutiquen abseits der Mainstream-Designer-Stores sowie das dachlose Kirchenschiff des Convento do Carmo zu bewundern.
Die Überreste wirken wie ein Mahnmal des großen Erdbebens und grenzen direkt an den berühmten Aufzug Elevador de Santa Justa, der so etwas wie ein Wahrzeichen von Lissabon ist.
Wer jetzt Entzugserscheinungen nach einem exklusiven Shoppingbummel aufweist, der kann sich an der Avenida da Liberdade austoben, die ganz nach dem Pariser Vorbild der Champs-Élysées, alle Top-Designer an einer Perlenkette aufreiht. Wer jetzt Hunger bekommen hat, dem sei das Restaurant Vicente im Bairro Alto empfohlen, wo es portugiesische Speisen im urigen Ambiente zu genießen gibt. Unbedingt das Porco Preto, das schwarze Schwein probieren, welches hier knusprig und dünn geschnitten auf den Teller kommt.
Einer der schönsten, wenn auch längsten „Walks“ ist sicher die knapp zweistündige Wanderung zum Torre de Belém, die immer entlang der Hafenpromenade entlangführt und einen ersten Stopp am Santo Amaro Recreation Dock anbietet. Hier gibt es einige gute Fischrestaurants, von denen man direkt auf die berühmte Hängebrücke blicken kann. Direkt gegenüber der Straße befindet sich übrigens das neue Kreativzentrum der Stadt mit Namen LX-Factory. Einige Künstler haben sich hier in renovierten Fabrikhallen niedergelassen, um live ihre Werke zu gestalten und natürlich auch zu veräußern. Graffiti-Walls, Hipster-Cafés und eine Instagram-taugliche Bücherei runden das Ensemble ab und machen es zum „must see“ für den Arbeitsnomaden.
Klassischer ist da schon der folgende Abstecher zum Padrao dos Descobrimentos einzustufen, jenem markanten Denkmal, welches Heinrich dem Seefahrer zum 500 Todestag gewidmet wurde.
Ein Hafenbecken weiter steht man dann endlich vor dem Torre de Belém von 1519, das als eines der wenigen Bauwerke das große Erdbeben unbeschadet überstanden hat und zu den Top-Attraktionen der Stadt zählt.
Wer jetzt sportlich immer noch nicht am Ende ist, kann natürlich die 8 Kilometer wieder zurück zum Apartment laufen. Ich gönne mir jedoch auf halbem Weg ein Taxi, um ein wenig Energie für das Abendprogramm zu sparen.
Genug mit Touren durch die Innenstadt? Dann sollte man sich für das Wochenende einen Mietwagen buchen und ins nur 24 Kilometer entfernte Sintra fahren. Die Altstadt liegt mit ihren zahllosen Palästen auf einem grünen Hügel und wirkt wie eine mystische Oase für Künstler, Schriftsteller und leider auch Touristen. In normalen Jahren ist hier sicherlich die Hölle los, aktuell kann man jedoch alle Paläste ohne Voranmeldung besichtigen.
Ich entscheide mich für den 1910 fertiggestellten Quinta da Regaleira, der nicht nur ein wahrer Zuckerbäckerpalast ist, sondern auch über eine Kapelle, eine riesige Gartenanlage und eine Grotte verfügt. Höhepunkt ist für mich der Abstieg in den unterirdischen Brunnen, der eher einem Turm ähnelt, den man spiralförmig nach unten geht.
Man könnte Tage in Sintra verbringen, so viel gibt es hier zu sehen und zu besichtigen, doch das Meer ruft mich und ich will den ersten Strandtag des Jahres angehen. Knapp 18 Kilometer entfernt liegt das Cabo da Roca, der westlichste Punkt des europäischen Festlands. Auf einer 140 Meter hohen Klippe thront hier ein Leuchtturn über dem Meer und bietet das perfekte Fotomotiv, insbesondere wenn im Mai die Hänge in voller Blüte stehen.
Über einen kleinen Fußweg entlang der Klippen erreicht man den Praia da Ursa Beach, den man aufgrund seiner markanten Felsformationen als nahezu perfekt beschreiben kann. Nur Nahezu, weil die Wellen hier meterhoch direkt auf den Strand knallen und das Baden eigentlich unmöglich machen. Umso mehr bewundere ich die Fischer, die wagemutig auf den Zacken der Felsen stehen und erst bei Ebbe wieder an Land gelangen können.
Ich nehme die Küstenstraße zurück nach Lissabon, fahre vorbei an so wunderbaren Orten wie Cascais und Estoril, wo sich heute die Einheimischen an den Uferpromenaden und Stränden tummeln.
Freunden gehobener Küche möchte ich in Cascais unbedingt das Restaurant Hifen ans Herz legen. Von den Tischen schaut man nicht nur unmittelbar auf den Hafen mit seinem Strand und dem netten Riesenrad, sondern hier gibt es auch die besten Tapas-Variationen, die ich seit langem gegessen habe. Unbedingt das Pica Pau de Novilho bestellen. Es geht geschmacklich kaum besser. Versprochen!
Mit dem Auto geht es dann über die 2.300 Meter lange Hängebrücke Ponte 25 de Abril auf die andere Seite des Tejo zum Cristo Rei. Diese 110 Meter hohe Statue zählt zu den wichtigsten Wallfahrsorten der iberischen Halbinsel und bietet einen unglaublichen Blick auf die Stadtkulisse.
Man sollte unbedingt mit dem Aufzug zum Fuß der Christusfigur fahren, die sich eindrucksvoll in den blauen Himmel schält und ihrem berühmten Bruder in Rio de Janeiro in nichts nachsteht. Was für eine toller Platz für den Sonnenuntergang, was für eine vielseitige Stadt, die Geschichte und urbanes Leben miteinander in Einklang bringt und was für ein perfekter Ort, um aus der Ferne digital zu arbeiten.
Noch mehr “work & travel feeling” vermittelt übrigens mein Artikel über die spanische Stadt Valencia.
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