Phantom Ranch, Grand Canyon

By In Far Away

I did it again. Exakt 18 Jahre nach meiner Erstbegehung, steige ich nochmals hinab in die gewaltige Schlucht des Grand Canyon, um am gleichen Tag wieder hinaufzustapfen. Noch schläft alles in der Red Feather Lodge, als ich mir um 5.30 ein welkes Truthahn-Sandwich aus dem Zellophan schäle. Der dünne Kaffee aus der Plastik-Maschine verlangt nach deutlich weniger.

Doch das muss reichen, denn um 5.59 wartet der Shuttlebus bereits am Visitor Center, um mich zum Ausgangspunkt des South Kaibab Trails zu bringen. Eine große Hirschherde samt 12-Ender kreuzt den Weg und zieht träge weiter durchs Unterholz. Gottseidank ist es deutlich wärmer als die prognostizierten -1 Grad, so dass ich auf die Jacke komplett verzichten kann und pünktlich um 6.10 den Abstieg wage. 1.450 Höhenmeter geht es hinunter bis zum reißenden Colorado. Der erste Höhepunkt wartet bereits nach 20 Minuten mit dem Ooh-ahh Point, wo die aufgehende Sonne die schroffen Canyonwände in ein orangefarbenes Licht taucht. Ein Moment für die Ewigkeit.

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Die ersten von unzählig folgenden Fotos werden geschossen, doch für Rast bleibt keine Zeit. Der Weg führt Stufe um Stufe recht zügig nach unten, ist jedoch weit weniger steil, als in unzähligen Web-Foren beschrieben. Auf den insgesamt 11,8 Kilometern „Downhill“ bietet der Kaibab Trail unzählige Momente, die dir den Atem rauben. Canyonwände schieben sich wie ein 360-Grad Open-Air-Kino vor meine Optik. Und ich kann gar nicht anders, als immer wieder inne zu halten, Fotos zu schießen und auch ein wenig zu genießen.

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Nach knapp 3 Stunden taucht die schwarze Silhouette der Black Suspension Bridge auf und einige Rafts segeln auf den schlammigen Fluten des Colorado unter ihr hindurch. Was für ein dramatischer Anblick. Deutlich mehr Boote als Wanderer auf dem Weg, was in Anbetracht der Massen am Canyonrand ein sprichwörtlicher Segen ist.

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Man ist im Prinzip fast alleine unterwegs und so erreiche ich nach 3 Stunden und 15 Minuten recht entspannt die Phantom Ranch. 1922 wurde sie erbaut und die wenigen Cabins sind bereits über Jahre im Voraus ausgebucht. Nicht viel besser sieht es im benachbarten Bright Angel Campground aus, der direkt am gleichnamigen Creek herrlich idyllisch in einem überraschend grünen Tal liegt. Der Canyon zeigt sich hier nicht von seiner felsigen und unwirtlichen Seite, die man stets vom South Rim präsentiert bekommt. Es gibt Bagel mit Marmelade und gestreckten Filterkaffee. Schmeckt trotzdem, doch die Zeit schreitet voran und die Temperaturen liegen bereits jenseits der 25 Grad Marke.

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Für den Rückweg wähle ich den Klassiker Bright Angel Trail, um wirklich das gesamte Spektrum an diesem wunderschönen Herbsttag einzusaugen. Der Aufstieg ist mit 15,2 Kilometern etwas länger als die Route über den Kaibab Trail und verlangt durch sein anfängliches auf und ab nochmals 200 zusätzliche Höhenmeter vom Wanderfreund. Doch die erste Stunde ist wirklich ein Schmankerl, da die Strecke meist entlang des Flusses führt und mit der Silver Suspension Bridge noch ein wenig Brückenarchitektur zu bieten hat.

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Danach ist der Spaß aber vorbei und es geht konsequent nach oben. Landschaftlich zeigt der Grand Canyon hier wieder seine grüne Facette. Ein kleiner Creek begleitet mich auf den nächsten Höhenmetern und sorgt für willkomene Erfrischungen. Langsam füllt sich der Trail und einige Wanderer trauen sich ein paar Meter hinab in den Canyon, wiederum andere nutzen den Muli-Express. Weicheier!

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Nach etwa 2 Stunden erreiche ich den Rastplatz Indian Gardens, der ideal ist, um Wasservorräte aufzufüllen. Das ist übrigens der kleine Nachteil beim Kaibab Trail. Kein Wasser! Ich quetsche mir einen widerlichen Beutel Power Gel mit Cherry Flavour in den Mund und mache mich bereit fürs Finish. Noch gute 7 Kilometer bis zum Rand des Canyons. Und ab jetzt folgt der eher unlustige Teil, denn es geht Kehre um Kehre durch die pralle Sonne nach oben.

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Doch das Power Gel verleiht Zauberkräfte und Pausen werden bedeutungslos. Am Ende schaffe ich den Aufstieg in gut 4 Stunden und stehe mit einem beachtlichen Bauarbeiterdekoltee glücklich am Southrim und blicke hinab in die Schlucht, so wie alle anderen auch.

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Zur Belohnung warten, mit Barbeque-Sauce lackierte, Pork Chops im Yippee-Ei-O-Steakhouse in Tusayan auf mich. Der Laden ist übrigens deutlich besser, als die miesen Bewertungen bei TripAdvisor.

Und abschließend die Frage: Würde ich die Tour wieder an einem Tag durchziehen? Auf jeden Fall. Haltet euch nicht am Rand mit all diesen Touristenkolonnen auf, sondern schwingt die Wanderstiefel und geht dem Grand auf den Grund.

Hier findet ihr meinen Bericht zur Wanderung auf den Angels Landing im Zion Nationalpark.

 

6 Comments
  1. […] im Nebel unter. Doch der Herbst hatte es mit dem Wochenendtrip nach Las Vegas nochmals in sich. Den Grand Canyon runter und wieder rauf in Rekordzeit, der Absturz aus der Komfortzone auf dem Angels Landing und […]

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  2. […] wieder bei null an und werde beim Anblick der Felswand unwillkürlich an meine Hitzeschlacht im Grand Canyon erinnert. 1.200 Höhenmeter stehen heute auf dem Programm und ergo geht es steil bergan. Man […]

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  3. […] Ruinalta, jene canyonartige Schlucht über dem Vorderrheintal erreicht. Für Kenner des berühmten Originals aus Arizona, ist der erste Anblick vielleicht etwas ernüchternd, denn rötlich-braune Tempel, die […]

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  4. […] auf den Colorado River, der aus dieser Höhe betrachtet, recht gemächlich durch die Schlucht des Grand Canyon fließt und mache mich auf den Weg ins knapp 500 Kilometer entfernte […]

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  5. […] mehr Wanderung gibt es in meinem Artikel über die Tour zur Phantom Ranch im Grand […]

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  6. […] Kempinski Ishtar hat nicht nur das Tote Meer im Angebot, sondern mit dem Wadi Mujib auch gleich den Grand Canyon Jordaniens vor der Haustür. Die Schlucht ähnelt jedoch eher den berühmten Narrows im Zion […]

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